Impfen ist vielerorts nicht mehr “in“, vor allem wenn es staatlich verordnet wird. Dabei ist Impfen neben den Antibiotika ohne Zweifel die bahnbrechendste Errungenschaft der Medizin zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Dabei gilt es allerdings verschiedene Spielregeln zu beachten, damit der Nutzen nicht zum Schaden bzw. der Segen nicht zum Fluch wird. Dies gilt sowohl für das Impfen als auch für den Einsatz von Antibiotika.
Der nachfolgende Artikel soll in einer möglichst verständlichen Sprache erklären, was das Ziel einer Impfung ist, was im Körper eines Tieres abläuft, welche Bedeutung der Biestmilch zukommt und welche Spielregeln einzuhalten sind, damit der Nutzen nicht zum Schaden wird.
Die Impfprophylaxe ist noch immer eine der wichtigsten Massnahmen zur Verhinderung von Infektionskrankheiten. Nur Krankheiten verschwinden, gegen die regelmässig geimpft wird. Setzt man die Impfungen ab, haben die Krankheiten die Chance, wieder aufzuflammen (siehe das Auftreten von Masern in gewissen Landesgegenden der Schweiz, in welchen die Impfdisziplin nachlässt). Viren und Bakterien haben ein ausgeklügeltes System entwickelt, um sich zu verbreiten oder zu überleben. Wenn Infektionskrankheiten verschwinden, dann nur, weil unsere Lebensweise sich in Vielem geändert hat, zum Beispiel hinsichtlich Hygiene, Impfprophylaxe und/oder besserer Behandlungsmöglichkeiten. Die Globalisierung und Migration beinhalten allerdings die Gefahr, dass verschwunden geglaubte Krankheiten wieder auftauchen, zum Beispiel beim Menschen die Tuberkulose. Dies gilt auch für Hunde, besonders im Zusammenhang mit Importen, Ausstellungen, Sportveranstaltungen oder Trainingslagern. Transporte, Wettkämpfe, Ausstellungen – grundsätzlich Ansammlungen von Hunden – und Tierheimaufenthalte bedeuten zudem immer Stress und Stress ist ein äusserst guter Wegbereiter für das Eindringen von Krankheitserregern. Nicht zuletzt muss man bedenken, dass Wildtiere ein Reservoir sind für viele Krankheiten, die auch auf den Hund übertragen werden können. Wem ist schon bekannt, dass in der Schweiz etwa zwei Drittel aller verendeten Füchse an Staupe gestorben sind und auch Marder sowie Dachse an Staupe erkranken können.
Zulassung und Anwendung von Impfstoffen
Informationen über die in der Schweiz zugelassenen Hundeimpfstoffe und deren Anwendung auch in Kombination sind zu finden unter www.blv.admin.ch/ivi Rubrik Impfstoffe, Produkte und Kombinationen. Dahinter versteckt sich das Institut für Viruskrankheiten und Immunologie (IVI), das dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheiten und Veterinärwesen (BLV) unterstellt ist. Die Zulassungen und die damit verbundenen Richtlinien sind verbindlich, sind Teil der Sorgfaltspflicht des behandelnden Tierarztes und gelten auch für die Züchter und Tierhalter, garantieren bei entsprechender Anwendung den gewünschten Nutzen bzw. Schutz und bewahren vor Schaden.
Impfempfehlungen für Hunde gibt die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin SVK bekannt und passt sie laufend den neuesten Erkenntnissen an:
Grundimmunisierung von Welpen, Alter der Hunde und Krankheiten:
8-9 Wochen |
12 Wochen |
16 Wochen |
15 Monate |
Staupe |
Staupe |
Staupe |
Staupe |
Hepatitis contagiosa canis |
Hepatitis contagiosa canis |
Hepatitis contagiosa canis |
Hepatitis contagiosa canis |
Parvovirose |
Parvovirose |
Parvovirose |
Parvovirose |
Leptospirose |
Leptospirose |
Leptospirose |
Leptospirose |
Canines Parainfluenzavirus |
Canines Parainfluenzavirus |
Canines Parainfluenzavirus |
Canines Parainfluenzavirus |
Wiederholungsimpfungen von Hunden nach korrekter Grundimmunisierung:
jährlich |
alle 3 Jahre |
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Staupe |
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Hepatitis contagiosa canis (H.c.c.) |
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Parvovirose |
Leptospirose |
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Canines Parainfluenzavirus |
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Tollwut |
Diese Schemen sind Empfehlungen, je nach Individuum und Einsatz müssen sie angepasst werden.
Besonderheiten: Zwingerhusten und Tollwut
Empfehlenswert besonders bei Sport- und Ausstellungshunden und bei solchen, die sich vorübergehend im Tierheim aufhalten, bei Welpen und Junghunden in den obligatorischen Kursen ist die Intranasale Zwingerhusten- Impfung, die gegen den Erreger „ Bordetella bronchiseptica“ und gegen das canine Parainfluenzavirus wirkt. Dieser Impfstoff wird in die Nase des Hundes geträufelt und erzeugt rasch, das heisst innerhalb von 72 Stunden eine lokale Immunität gegen den Zwingerhustenkomplex. Besonders unter aktiven Schlittenhunden ist die Krankheit verbreitet und tritt häufig nach Rennen auf. Sie ist oft mit monatelangem Husten, Würgen und „Erbrechen“ verbunden.
Die Impfung gegen Tollwut unterliegt gesetzlichen Bestimmungen, da sie eine Zoonose ist. Zoonose bedeutet, dass diese Krankheit auf alle Tiere und auch den Menschen übertragen werden kann. Tollwut verläuft immer tödlich, nicht nur beim Tier auch beim Menschen. Deshalb sind die gesetzlichen Vorschriften rund um die Tollwut sehr streng. Sie betreffen vor allem dem Import oder den Wiedereintritt von Hunden in die Schweiz..
Die Schweiz ist das einzige Land in Europa, dem es gelang, die Tollwut auszurotten indem man flächendeckend über Jahre hinweg die Füchse (die Hauptüberträger der Tollwut schlechthin) mit in Hühnerkopfködern verstecktem Impfstoff gegen Tollwut geimpft hat. Die Schweiz gilt deshalb bereits seit einigen Jahren als frei von Tollwut. Dies ist der Grund, warum die Tollwutimpfung vorläufig nicht mehr obligatorisch, für den Grenzübertritt aber erforderlich ist. Hier gilt: Nur ein korrekt geimpftes Tier ist ein geschütztes Tier. Tollwut ist eine Krankheit, die mit bis zu 60 km im Tag wandern kann( Füchse, Wölfe, Fledermäuse). Bei den heutigen Hundeimporten aus allen Herren Ländern dürfte diese Zahl weit übertroffen werden.
Warum impfen wir eigentlich?
Ganz klar, wir impfen nicht, weil es vorgeschrieben ist, um an einer Veranstaltung teilzunehmen oder für den Grenzübertritt, sondern um unsere Hunde wirkungsvoll vor Krankheiten zu schützen, die irreparable Schäden hervorrufen ( Nervenschädigung bis zu Epilepsie bei Staupe, Nierenschaden bei Leptospirose) oder zum Tod führen. Dabei ist immer ein möglichst hoher Anteil geimpfter Tiere in der Population anzustreben. Nur dadurch kann das Auftreten von zu bekämpfenden Krankheiten wirksam reduziert oder gar verhindert werden. Besitzer, die ihre Tiere nicht impfen lassen, können sich durch eine hohe Durchimpfungsrate in einer trügerischen Sicherheit wiegen, die relativ rasch umkippt, wenn alle die Strategie „nicht impfen“ anwenden. Dies gilt nicht nur für Hunde sondern für alle, auch den Menschen.
Was geschieht im Körper beim Impfen?
Mit dem Impfen veranlassen wir den Körper Stoffe zu bilden, die die Krankheitskeime erkennen und unschädlich machen. Das sind die sogenannten Antikörper. Sie werden von den B-Lymphozyten gebildet und bestehen aus Proteinen. Dies nennt man die „humorale“ Abwehr, sie findet in den flüssigen Medien des Körpers statt, also im Blut oder in der Lymphe. Die Antikörper dienen zur Bekämpfung von Viren und Bakterien im Raum ausserhalb von Zellen. Antikörper können auch nach durchgemachter Krankheit entstehen, sofern der Schaden nicht so gross ist, dass er zum Tod des Tieres führt. Der Körper verfügt neben den Antikörpern auch noch über andere Abwehrmöglichkeiten, die sogenannte „zelluläre“ Abwehr. Sie besteht hauptsächlich aus Abwehrzellen, Fresszellen, sowie T- Lymphozyten.
Antikörper leben nicht ewig, deshalb müssen die Impfungen in gewissen Abständen wiederholt werden, damit ein Hund tatsächlich genügend geschützt ist, bzw genügend Antikörper verfügbar sind (siehe Schema der Wiederholungsimpfungen).
Die Bedeutung des Kolostrum
Das Kolostrum oder die Biestmilch ist die erste Milch, die nach der Geburt in der Milchdrüse des Muttertieres gebildet wird. Sie enthält einen hohen Anteil an Antikörpern, sofern das Muttertier korrekt geimpft wurde oder selbst eine Krankheit erfolgreich überstanden hat. Das Kolostrum dient dem Welpen, der ohne Antikörper geboren wird und dessen Abwehrsystem noch nicht ausgereift ist, als Schutz vor ansteckenden Krankheiten. Bei Welpen, die kein Kolostrum erhalten, ist die Gefahr einer Infektion oder grundsätzlich von Todesfällen, häufiger.
Der Welpe selbst ist bis zum Alter von etwa 8 bis 12 Wochen geschützt durch diese „maternalen Antikörper“. Auch diese Antikörper leben nicht ewig. Sie haben die Aufgabe ein Neugeborenes, dessen Körper selbst noch nicht in der Lage ist einen wirkungsvollen Schutz gegen Infektionskrankheiten aufzubauen, zu schützen. Sind zu wenig maternale Antikörper vorhanden, kann das Neugeborene erkranken.
Ab dem Alter von 6 bis 8 Wochen beginnt die Zahl an maternalen Antikörpern abzunehmen. Gleichzeitig reift das Immunsystem langsam heran, nach und nach wird der Körper fähig zu einer Immunantwort. Dies ist die Zeit, in der impfen Sinn macht. Wird vorher geimpft, behindern die zahlreichen maternale Antikörper eine Immunantwort und der Organismus ist zudem noch nicht fähig, selbst Antikörper zu bilden. In diesem Alter sind die Welpen sehr empfänglich für Infektionskrankheiten – ein Grund um Welpen nicht all zu früh vom Wurf weg zu nehmen und dem Stress auszusetzen indem sie dem neuen Besitzer ungeschützt übergeben werden.
Die Grundimmunisierung besteht in der Regel aus 2 Impfungen im Abstand von 3 bis 4 Wochen. Wird sehr früh mit Impfen begonnen, das heisst vor der 8. Lebenswoche, muss unbedingt eine 3. Impfung erfolgen im Alter von 16 Wochen um eine gute, belastbare Immunantwort zu erhalten( Siehe Impfschema: Grundimmunisierung).
Die Impfung gegen Tollwut sollte sinnvoll erst im Alter von 5 Monaten erfolgen, da der Körper vorher noch nicht fähig zu einer belastbaren Immunantwort ist. Müssen Welpen zwecks Überführung ins Ausland früher gegen Tollwut geimpft werden, empfiehlt sich eine 2. Impfung, erst dann kann man zum 3 Jahres Rhythmus übergehen. Hier hat man sich an das Impfschema des jeweiligen Impfstoffherstellers zu halten.
Was gehört zu einer Impfkonsultation?
Immer wieder ereifern sich Hundebesitzer, vor allem solche mit mehreren Tieren, ob der hohen Kosten für eine Impfung. Impfen darf niemals „ Impfstoff rein, der nächste bitte“ sein.
Bevor geimpft wird, muss der Gesundheitszustand und die Identität des Tieres überprüft werden. Dazu gehören:
Identifikation: Name, Alter, Körperbau, Fell und Farbe, Chip
Kurzuntersuch von Augen, Ohren, Maulhöhle, Zustand des Gebisses, äussere Geschlechtsorgane
Abhören von Herz und Lunge
Fragen über Fressgewohnheiten, Versäubern, Fellpflege, Entwurmung, Floh/Zeckenprophylaxe und anderes mehr.
Erst wenn fest steht, dass der Hund gesund ist, bzw keine Anzeichen von Krankheit aufweist, darf geimpft werden.
Mit anderen Worten, eine jährlich korrekt durchgeführte Impfkonsultation bietet Gelegenheit über alles, was den Hund betrifft zu sprechen. Studien haben gezeigt, dass viele Erkrankungen im Frühstadium bei einer Impfkonsultation erkannt worden sind. Nehmen Sie deshalb die Gelegenheit wahr und stellen Sie ihrem Tierarzt alle Fragen, die Sie in Bezug ihres Hundes auf dem Herzen haben, er spricht nämlich dieselbe Sprache wie Sie, Latein oder medizinisches Englisch ist nicht seine Muttersprache!
Auch in einem Rudel sollte man sich pro Tier mindestens 15 Minuten Zeit nehmen!
Die Verabreichung von Impfungen
Je nach Impfstoff und Immunisierungsart werden verschiedene Applikationsverfahren verwendet. Bei Hunden werden die Impfstoffe unter die Haut injiziert (= subcutan) oder über die Nasenschleimhaut ( = intranasal) verabreicht. Dabei handelt es sich um eine sogenannte aktive Immunisierung. Das heisst, das Immunsystem wird zur Bildung von Erreger- spezifischen Antikörpern angeregt, ohne dass das Tier die Infektionskrankheit selber durchmachen muss.
Bei den Impfstoffen zur aktiven Immunisierung werden Lebendimpfstoffe und Totimpfstoffe verwendet. Lebendimpfstoffe enthalten abgeschwächte, noch vermehrungsfähige Erreger, welche allerdings nicht krank machen, und Totimpfstoffe enthalten Erreger, welche abgetötet worden sind oder nur noch in Bruchstücken vorliegen. Auch sie führen bei korrekter Impfung nicht zu Krankheiten. Nach Eindringen des Impfstoffes und den dadurch ausgelösten Reaktionen des Körpers erfolgt die primäre Immunantwort.
Die primäre Immunantwort ist sehr komplex. Es handelt sich dabei um die Erregerspezifische Prägung immunkompetenter Lymphozyten ( das sind weisse Blutkörperchen) in Form von langlebigen Gedächtniszellen. Der Körper hat dabei eine riesige Arbeit zu bewältigen.
Neben der aktiven Immunisierung gibt es die passive Immunisierung. Dabei wird Serum, das Antikörper enthält, injiziert. Ein Beispiel dazu ist die Serumverabreichung zur Verhinderung von Starrkrampf, wenn die aktive Impfung länger als 5 Jahre zurückliegt, nach zum Beispiel einer Verletzung durch einen Hundebiss.
Unterschiedliche Lebendimpfstoffe zum Beispiel gegen Staupe/Leptospirose oder Tollwut, sollten im Abstand von 4 Wochen angewendet werden. Für Totimpfstoffe dagegen gibt es praktisch keine Abstände.
Hier sei noch einmal erwähnt, dass die Zulassungsstelle für Impfstoffe in der Schweiz, das Institut für Viruserkrankungen und Immunologie IVI, die Impfstoffe und die Impfstoffkombinationen nach eingehender Prüfung frei gibt. Jede in der Schweiz angewendete Impfstoffcharge wird zudem routinemässig geprüft, bevor sie in den Handeln gelangt.
Werden Impfstoffkombinationen, die nicht freigegeben sind, verwendet, muss man mit Nebenwirkungen, zum Beispiel allergischen Reaktionen oder starken Fieberschüben rechnen, die ausnahmsweise auch einmal zu Todesfällen führen können. Hier sind besonders die Kombinationen von Lebendimpfstoff gegen Leptospirose+Staupe , die gleichzeitig mit einem Lebendimpfstoff gegen Tollwut verabreicht werden, bekannt. Da man nie im Voraus wissen kann, wie ein Tier reagiert, sollte man sich stets an die Richtlinien des Herstellers halten, auch wenn dies bedeutet, dass man zweimal den Weg zum Tierarzt machen muss. Dies allerdings immer zu Wohle des Tieres.
Ganz wichtig ist, dass man, wie bereits erwähnt, nur gesunde Tiere impft, dies zudem, wenn immer möglich nicht in Stresssituationen. In möglichst kurzer Zeit möglichst viele Hunde zu impfen darf nicht das Ziel sein! Jedes Tier hat Anrecht auf eine gesonderte individuelle Behandlung.
Auch beim Impfen gilt, wie Paracelsus so schön gesagt hat: Alles ist Gift, es kommt nur auf die Dosierung an.
c) Sept 2015/ Ruth Rüsch-Perk